Rüstungslieferungen in Drittstaaten bleiben problematisch

Marc von Boemcken und Paul Rohleder

 

Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel dominieren derzeit öffentliche Debatten zu deutschen Rüstungsexporten. Sie sind Thema in Talkshows und Bundestagsdebatten. Andere Genehmigungen von Rüstungsausfuhren an repressive Staaten mit verheerender Menschenrechtsbilanz kommen dabei allenfalls am Rand vor.  In den letzten Jahren waren unter anderem Lieferungen an Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate besonders problematisch. 

 

Ende letzten Jahres veröffentlichte die Bundesregierung neue Rekordwerte zum Export deutscher Rüstungsgüter:[i] demnach betrug der Wert der genehmigten Ausfuhren 2023 ganze 13,69 Milliarden Euro – eine Steigerung um etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist so viel wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Trend setzte sich 2024 fort.[ii] Bis Mitte Dezember belief sich allein das Volumen für Einzelausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern auf 13,2 Milliarden Euro. Die endgültigen Zahlen für 2024 werden die vom Vorjahr wahrscheinlich noch übertreffen.

Etwa die Hälfte aller deutschen Rüstungsexporte (6,06 Milliarden Euro) ging 2023 in Länder außerhalb von NATO und EU, also in sogenannte Drittstaaten. Im Folgejahr empfingen Drittstaaten Rüstungsgüter im Wert von 11,3 Milliarden Euro, also 86 Prozent aller erteilten Einzelausfuhrgenehmigungen. Und mehr noch: ein erheblicher Teil der exportierten Rüstungsgüter fällt in die engere Kategorie der „Kriegswaffen“. Es handelte sich also nicht nur um Schutzwesten, Jagdflinten oder Funkgeräte, sondern um Kriegsschiffe, Panzer oder Maschinengewehre. Drittstaaten erhielten 2023 Kriegswaffen im Wert von 3,32 Milliarden Euro, 2024 im Wert von 7,4 Milliarden Euro.

Rund 72 Prozent aller Lieferungen in Drittstaaten erfolgten 2023 und 2024 in die Ukraine. Während diese, sowie die im Volumen sehr viel geringeren Waffenlieferungen nach Israel die öffentlichen Debatten dominieren, sollte dies nicht den Blick auf womöglich problematische Exporte in weitere Drittstaaten verstellen.

Die Bundesregierung genehmigte 2023 Rüstungsausfuhren in 75 Drittstaaten. Über die genauen Empfänger schweigt der offizielle Rüstungsexportbericht meistens. In 59 dieser Länder gingen die Lieferungen vermutlich hauptsächlich an staatliche Sicherheitskräfte. Zumindest gibt es keinen Hinweis auf Botschaften oder VN-Missionen als Endnutzer. Von diesen 59 Staaten attestiert die Datenbank „Rüstungexport.info“ des bicc 39 davon eine sehr problematische Menschenrechtssituation.[iii] Das sind 66 Prozent der Drittstaaten, in denen die Bundesregierung die Ausfuhr von Rüstungsgütern genehmigte. Elf Drittstaaten mit kritischer Menschenrechtsbilanz erhielten sogar Kriegswaffen aus Deutschland.

Die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung zum Rüstungsexport“ von 2019 sehen vor, die Lieferung von Rüstungsgütern in Drittstaaten „restriktiv“ zu handhaben.[iv] Für die besondere Kategorie der Kriegswaffen gelten sogar noch strengere Regeln. Hier wird eine Ausfuhr „nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen […] für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen“. Zudem soll der „Beachtung der Menschenrechte […] besonderes Gewicht beigemessen“ werden. Die Bundesregierung erteilt „grundsätzlich“ keine Ausfuhrgenehmigungen, „wenn hinreichender Verdacht besteht, dass [die gelieferten Rüstungsgüter] zur internen Repression […] oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“. 

Nicht mit jedem gelieferten Rüstungsgut werden Menschenrechte verletzt – und der Export von Militärhelmen ist sicherlich unproblematischer als die Ausfuhr von Sturmgewehren. Immer wieder lehnen die Genehmigungsbehörden zudem Ausfuhranträge mit Verweis auf die Menschenrechtssituation im Empfängerland ab. Und rechnet man die Ukraine einmal heraus, dann lagen die Rüstungsexporte an Drittstaaten 2023 und 2024 deutlich unter dem durchschnittlichen Niveau der letzten Dekade. Dennoch bleibt fraglich, ob die Bundesregierung ihrem in den Politischen Grundsätzen formulierten Anspruch gerecht wird.

 

Drei Beispiele, die aus unserer Sicht besonders problematische Empfänger sind: Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate

Alle drei Staaten beteiligen sich unter Führung Saudi-Arabiens seit 2015 an einem blutigen Krieg gegen die Huthi im Jemen. Der Krieg löste eine humanitäre Notlage aus, über 100.000 Menschen kamen in Folge der Kampfhandlungen ums Leben. Mit Luftangriffen zerstörte die Kriegskoalition bis zum Waffenstillstand im Jahre 2022 systematisch zivile Infrastruktur im Norden und Westen des Landes, darunter die Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung, den Bildungs- und Gesundheitssektor. Das hinderte die Bundesregierung jedoch nicht daran, die kriegführenden Länder mit Waffen zu beliefern.

Ägypten

Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI gingen zwischen 2019 und 2023 etwa 20 Prozent aller deutschen Waffenexporte nach Ägypten – so viel wie an kein anderes Land in diesem Zeitraum.[v] Dabei handelte es zumeist um Marinetechnologie. Aufgrund einer U-Boot Lieferung erreichte das Exportvolumen 2021 ganze 4,34 Milliarden Euro. Aktuell erfolgt die Auslieferung von insgesamt vier MEKO A200 Fregatten von thyssenkrupp Marine Systems an die ägyptische Marine. Manchmal heißt es in Sicherheitskreisen „was schwimmt, das geht“ – mit Schiffen könnten schließlich keine Menschenrechte verletzt werden. Das ist aber nur bedingt richtig. Seit 2015 verhinderte eine Seeblockade gegen den Jemen unter anderem die Einfuhr von Nahrungsmitteln und lebenswichtigen Medikamenten. Bis 2022 war Ägypten noch mit Kriegsschiffen an der Blockade beteiligt. Zwar waren keine Schiffe aus deutscher Herstellung mit dabei. Dies zeigt aber, dass der Export von Marinetechnologie unter humanitären und völkerrechtlichen Gesichtspunkten alles andere als unbedenklich ist.

2023 genehmigte die Bundesregierung Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Ägypten mit einem Wert von 40,3 Millionen Euro. Darunter befanden sich „elektronische Ausrüstung“ und „Ortungsausrüstung“. Um was für Geräte es sich dabei genau handelte, bleibt unklar. Klar ist hingegen: an der Spitze Ägyptens steht ein repressives Militärregime. Fälle von Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sind laut Amnesty International an der Tagesordnung.[vi]

Saudi-Arabien

Ähnliches gilt für Saudi-Arabien. Laut Rüstungsexportbericht genehmigte die Bundesregierung 2023 Rüstungsausfuhren in Höhe von 13,26 Millionen Euro, davon 7,4 Millionen Euro Kriegswaffen, an das autokratisch regierte Land. Die saudische Regierung ist sehr repressiv. 2024 richtete sie fast jeden Tag einen Menschen hin,[vii] darunter auch Minderjährige.[viii] Menschenrechtsorganisationen zufolge lässt Saudi-Arabien systematisch Flüchtlinge und Migrant:innen an der Grenze zum Jemen erschießen.[ix] Als Anführer der Koalition, die im Jemen gegen die Huthi kämpft, trägt Saudi-Arabien zudem eine große Mitverantwortung an der humanitären Katastrophe im Land. 2018 hatte die Bundesregierung aufgrund des Jemen-Krieges sowie der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul eine Einstellung der meisten Rüstungs- und Waffenlieferungen verfügt. Die Bundesregierung hob dieses Moratorium 2023 auf, als sie unter anderem grünes Licht für den Export von 150 Iris-T Lenkflugkörpern gab, mit denen der von Saudi-Arabien betriebene Eurofighter bewaffnet werden kann. Dabei waren Eurofighter noch bis mindestens April 2022 für Luftangriffe im Jemen genutzt worden. Die Kampfhandlungen im Jemen können bei der aktuell sehr instabilen Situation in der Region jederzeit wieder aufflammen.

Vereinigte Arabische Emirate

Genau wie Ägypten und Saudi-Arabien handelt es sich bei den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) um ein autokratisch regiertes Land, das Menschenrechte verletzt und sich am Krieg im Jemen beteiligt. Im Falle der VAE konnte die Beteiligung von in Deutschland gebauten Kriegsschiffen an der Seeblockade sowie der Einsatz weiterer deutscher Rüstungstechnologie im Jemenkrieg belegt werden.[x] Ein weiteres Problem ist, dass Waffen, die in die VAE exportiert werden, offenbar in Bürgerkriegen in anderen Weltregionen auftauchen können. Höchstwahrscheinlich liefert die VAE – in Missachtung eines Waffenembargos der Vereinten Nationen – Kriegsgerät an die sogenannten Rapid Support Forces (RSF), einer Konfliktpartei im andauernden Bürgerkrieg im Sudan und im Jemen.[xi] Darunter befanden sich auch Waffen französischer Bauart.[xii] Es besteht ein Risiko, dass auch aus Deutschland in die VAE gelieferte Rüstungsgüter ihren Weg in den Sudan finden könnten. Schätzungen zufolge verloren seit Ausbruch des sudanesischen Bürgerkriegs Anfang 2023 bis zu 125.000 Menschen ihr Leben, sei es durch direkte Gewalt oder die dadurch ausgelöste humanitäre Katastrophe. Die RSF verstößt in ihrem Vorgehen immer wieder gegen das humanitäre Völkerrecht, unter anderem durch die systematische Anwendung sexualisierter Gewalt. Und auch mit Rüstungslieferungen an Libyen scheinen die VAE entsprechende UN-Embargos zu unterlaufen.[xiii] Dennoch erteilte die Bundesregierung 2023 Genehmigungen über die Ausfuhr von Rüstungsgütern in die VAE im Wert von 78,4 Millionen Euro. Dabei handelte es sich unter anderem um „Teile für Torpedos und Flugkörperabwehrsysteme“ sowie „Kommunikations-“ und „Verschlüsselungsausrüstung“. 2024 betrug der Wert der genehmigten Rüstungsgüter sogar 146,6 Millionen Euro – und hat sich damit fast verdoppelt (Angaben über die Art der gelieferten Güter wird es erst im nächsten Rüstungsexportbericht geben).

Anders als bei den Waffenlieferungen in die Ukraine oder nach Israel, gibt es keine größere öffentliche Debatte um Rüstungsexporte nach Ägypten, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Gute Beziehungen zu diesen drei Ländern mögen zwar im außen- und sicherheitspolitischen Interesse der Bundesregierung sein. Aber handelt es sich dabei wirklich um ein „besonderes“ Interesse, das ein Abweichen vom Grundsatz und – ausnahmsweise – die Lieferung von Kriegswaffen rechtfertigt? Diese Frage stellt sich umso mehr, da die Menschenrechtsbilanz aller drei Staaten verheerend ist. Die Bundesregierung sollte sich dringend die Frage stellen, ob Lieferungen von Rüstungsgütern an autokratische und repressive Regierungen mit einer werteorientierten Außenpolitik vereinbar sind. Zumindest verdienen diese Lieferungen mehr Beachtung in den öffentlichen Debatten.

Die Aussagen zur künftigen Rüstungsexportpolitik in der Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung geben leider wenig Anlass zur Hoffnung. Sie kündigt eine „strategisch ausgerichtete Rüstungsexportpolitik“ an, die neben außen- und sicherheitspolitische auch wirtschaftspolitische Interessen berücksichtigt. Zwar lehnt die neue Bundesregierung Rüstungsexporte ab, bei denen das Risiko besteht, „dass diese zur internen Repression oder in Verletzung des internationalen Rechts eingesetzt werden“. Aber dies nur „grundsätzlich“ – Ausnahmen sind also möglich. Zudem müsse das Risiko schon „erheblich“ und „konkret“ sein. 

 


[i] https://www.publikationen-bundesregierung.de/pp-de/publikationssuche/ruestungsexportbericht-2023-2327422

[ii] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2024/12/20241218-vorlaeufige-ruestungsexportzahlen-2024-ruestungsexportbericht-2023.html

[iii] https://ruestungsexport.info/de/db

[iv] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/politische-grundsaetze-fuer-den-export-von-kriegswaffen-und-sonstigen-ruestungsguetern.html

[v] https://www.sipri.org/publications/2024/sipri-fact-sheets/trends-international-arms-transfers-2023

[vi] https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/aegypten-2023

[vii] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/saudi-arabien-hinrichtungen-106.html

[viii] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/12/saudi-arabia-un-experts-voice-alarm-executions-foreign-nationals

[ix] https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/saudi-arabia

[x] https://www.bicc.de/Publikationen/pb2_19_yemen_e_web.pdf~dr1047

[xi] https://www.amnesty.org/en/latest/research/2024/07/new-weapons-fuelling-the-sudan-conflict/

[xii] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2024/11/sudan-french-manufactured-weapons-system-identified-in-conflict-new-investigation/

[xiii] https://documents.un.org/doc/undoc/gen/n23/234/61/pdf/n2323461.pdf